Die Pfarrkirchenstiftung Neustift-Ortenburg präsentierte im Rahmen der Wochen zur Demokratie einen interdisziplinären Themenabend
Der stellvertretende Landrat Klaus Jeggle fand die richtigen Worte in seiner Begrüßungsrede und die interessierten Gäste bewiesen viel Sitzfleisch bei dieser letzten Veranstaltung der Wochen zur Demokratie 2020, vielleicht sogar der letzten Veranstaltung überhaupt für längere Zeit. Die Referenten hatten wahrhaft Vieles zu berichten aus ihrem Themenspektrum. Toni Keil und Alfons Niederhofer warfen einen Blick auf die Ereignisse zum Kriegsende in Vilshofen und Ortenburg. Unterstützt von einer gelungen gestalteten Bildpräsentation zeigten sie Ursachen, Folgen und Einzelschicksale auf. Nach einer Lüftungspause berichtete Kulturpreisträger Alfred Schwarzmaier vom Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Tiefenbach. Er entnahm hierzu Passagen aus seinem neuen Buch „Der 29. April 1945 – und 75 Jahre danach“. Wirkte darin die kühle Sachlichkeit der zusammengetragenen Fakten schon bedrückend, so entfaltete sich mit dem abschließenden literarischen Vortrag zum selben Thema die ganze Tragödie dieser Ereignisse: Die Kurzgeschichte „Sechsundvierzig” von Markus Muckenschnabl hatte sich bei einem Literaturwettbewerb gegen über 300 Mitbewerber durchgesetzt. Sprecher Matthias Hofer, dem selbst erst vor Kurzem ein Preis verliehen wurde für seinen Podcast – der erste Preis überhaupt in dieser Kategorie im deutschsprachigen Raum – , las die Geschichte mit enormer Eindringlichkeit.
Die Veranstaltung wurde moderiert von Dr. Winfried Helm. Er brach eine Lanze für die Berechtigung, die ein belletristischer Text gegenüber faktenbasierten Aufzeichnungen hat. Denn wo wissenschaftliche Recherchen an ihre Grenzen stoßen, habe eine Erzählung dank dichterischer Freiheit die Chance, den vergessenen Beteiligten ein Gesicht zu verleihen. Larysa Chreszczeniuk, Gesang, und Nikolai Targoni am Bayan umrahmten die Veranstaltung sehr gefühlvoll mit russischen Liedern und gaben der Schwere der Thematik mit dem wunderschönen Liebeslied Katjuscha einen freundlichen, versöhnlichen Abschluss.
Entscheidet man sich für das Fernbleiben von einer Veranstaltung, für die man sich angemeldet hat, so ist dies – grade jetzt – legitim. Es sollte aber der Anstand gebieten, den Veranstaltern Bescheid zu geben. Im Falle dieses Abends blieben mehrere Stühle unbesetzt, obwohl die Organisatoren vielen Interessierten absagen mussten.