Der Bogen spannte sich von der Freiheit und der Humanität eines Albert Camus bis hin zu einem Gedicht von Reiner Kunze über die Unwiderstehlichkeit der Liebe. Beides markieren wichtige Bezugspunkte im Denken Marko Martins. Dazwischen berichtete der Schriftsteller und Publizist unverstellt, ideologiefern, tiefschürfend und gleichzeitig unprätentiös über seine Weltsicht und seine Arbeit, die stark geprägt ist durch unzählige Kontakte zur schreibenden Zunft.
Der Themenkreis Totalitarismus, Verfolgung und Dissidenz ist ein Lebensthema für Marko Martin: In der DDR verweigerte er den Kriegsdienst und war massiven Repressionen ausgesetzt. Im Frühjahr 1989 verließ er das Land.
In seinem 2019 erschienenen Essayband „Dissidentisches Denken“ porträtierte Martin Männer und Frauen, die im Kalten Krieg gegen die totalitäre Versuchung am Vorrang der individuellen Freiheit festhielten, u.a. Jürgen Fuchs und Milan Kundera. So gut wie alle seiner Protagonisten konnte er persönlich kennenlernen. Im neuesten Buch, das in wenigen Wochen erscheint, beschäftigt er sich mit scharfsichtigen Autorinnen und Autoren, auf die in ihrer Zeit zu wenig gehört wurde, z.B. Hilde Spiel und Jean Améry. Diesen konnte er nicht mehr persönlich begegnen; das Neulesen ihrer Werke war Grundlage für seine Reflektionen. Das Publikum bekam einen ersten Vorgeschmack.
Das Gespräch wurde einfühlsam geführt von Dr. Heiner Feldkamp, ein ausgewiesener Kunze-Kenner. Der Literaturwissenschaftler sprang kurzfristig ein für den durch eine Corona-Quarantäne verhinderten Journalisten Niels Beintker.